Tamoxifen-Retinopathie

Kategorien: NetzhautproblemePublished On: 9. April 2024Von 6,5 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

tamoxifen retinopathie

Einleitung

Tamoxifen ist ein bewährtes Medikament, das vor allem in der Behandlung, Prävention von Brustkrebs bei Frauen eingesetzt wird. Tamoxifen wird in der adjuvanten Therapie bei der Behandlung des Mammakarzinoms eingesetzt. Es ist ein selektiver Estrogenrezeptormodulator (SERMs) und blockiert die Wirkung von Östrogen auf Brustkrebszellen, was das Wachstum östrogenabhängiger Tumore verlangsamt oder verhindert. Dieser Estrogenrezeptor-Modulator wird bei der Behandlung von Brustkrebs eingesetzt.  Mit dieser Behandlung von Mammakarzinomen ist die Therapie erfolgsversprechend. In seltenen Fällen können Sehstörungen eine Nebenwirkung sein oder auch ein Endometriumkarzinoms. Die Nebenwirkung eines Endometriumkarzinoms ist jedoch äußerst selten. Seit seiner Einführung in den 1970er Jahren hat Tamoxifen entscheidend zur Verbesserung der Überlebensraten und zur Verringerung der Rückfallquoten bei Brustkrebspatienten beigetragen. Trotz seiner Effektivität im Kampf gegen Krebs ist Tamoxifen-Therapie jedoch nicht frei von Nebenwirkungen. Patienten und Patientinnen wiesen eine seltene, aber ernsthafte Nebenwirkung auf, die Tamoxifen-Retinopathie, eine Augenerkrankung, die durch die langfristige Einnahme von Tamoxifen ausgelöst werden kann und potenziell das vermögen beeinträchtigen kann.

Die Pathogenese der Tamoxifen-Retinopathie

Die genauen Ursachen der Tamoxifen Retinopathie und der unklaren Sehstörungen sind noch nicht abschliessend geklärt, jedoch wird vermutet, dass die toxische Wirkung von Tamoxifen auf die Netzhautzellen eine zentrale Rolle spielt. Insbesondere die Akkumulation von kristallinen Einlagerungen in der Netzhaut, die in Verbindung mit der Therapie mit Tamoxifen stehen, könnte in seltenen Fällen  zu einer Störung der normalen retinalen Funktion führen. Risikofaktoren für die Entwicklung dieser Retinopathie schliessen eine hohe kumulative Dosis von Tamoxifen, eine langfristige Anwendung des Medikaments und individuelle Prädispositionen ein. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass die Netzhautzellstrukturen beschädigt werden, was zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens bzw. auch das Farbensehen führen kann. Die Forschung zu den genauen pathophysiologischen Mechanismen ist nach wie vor aktiv, um ein besseres Verständnis und effektivere Behandlungsansätze zu entwickeln. Es gibt bereits mehrere Fallserien. Eine Fallserie von klinischen und funktionellen Daten gibt an dass 8 Patientinnen unter Tamoxifen-Therapie behandelt wurden. Sieben der 8 Patientinnen gaben Sehstörungen an. Bei einer Patientin zeigten sich kristalline Ablagerungen in der Hornhaut und Makula.

Symptome der Tamoxifen-Retinopathie

Die Symptomatik der Tamoxifen Retinopathie kann vielfältig sein und hängt oft vom Ausmass der retinalen Schädigung des Patienten oder der Patientin ab. Einige Patienten erfahren subtile Veränderungen in ihrer Sehqualität, die sie möglicherweise zunächst nicht bemerken. Häufige Symptome umfassen verschwommenes Sehen, Schwierigkeiten beim Lesen oder die Wahrnehmung von Verzerrungen im zentralen Gesichtsfeld. Patienten berichten auch von Phänomenen wie dem Sehen von Lichtblitzen, dunklen Flecken oder „schwimmenden“ Objekten (Floatern) in ihrem Sichtfeld. Diese Symptome können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, insbesondere wenn sie das Lesen, Autofahren oder andere sehscharfe-abhängige Aktivitäten betreffen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Symptome schleichend auftreten können und von Betroffenen oft erst wahrgenommen werden, wenn die Erkrankung bereits fortgeschritten ist.

Diagnoseverfahren

Die Diagnose der Tamoxifen Retinopathie basiert auf einer Kombination aus klinischer Untersuchung und modernen bildgebenden Verfahren. Eine gründliche Anamnese, die die Medikamenteneinnahme und etwaige Sehveränderungen umfasst, ist der erste Schritt. Im Rahmen der augenärztlichen Untersuchung wird der Augenhintergrund (Fundus) betrachtet, wobei insbesondere auf Anzeichen für kristalline Einlagerungen in der Netzhaut geachtet wird. Die optische Kohärenztomographie (OCT) ist ein unverzichtbares Werkzeug, das hochauflösende Bilder der Retina liefert und selbst feinste Veränderungen in der Netzhautstruktur sichtbar macht. Die Fluoreszeinangiographie kann ebenfalls eingesetzt werden, um die Durchblutung der Retina zu beurteilen und eventuelle Leckagen oder Anomalien der Blutgefässe aufzudecken. Diese diagnostischen Verfahren ermöglichen es dem Augenarzt, die Diagnose zu stellen und den Schweregrad der Erkrankung zu bestimmen, was für die Planung der weiteren Behandlung entscheidend ist.

Differentialdiagnosen

Die Differentialdiagnostik der Tamoxifen Retinopathie umfasst die Abgrenzung dieser Erkrankung von anderen Augenleiden, die ähnliche Symptome oder Fundusbefunde aufweisen können. Es ist wichtig, andere Ursachen für Veränderungen in der Netzhaut, die Sehstörungen verursachen können, auszuschliessen, um eine korrekte Diagnose zu stellen und eine geeignete Behandlung einzuleiten. Zu den relevanten Differentialdiagnosen gehören:

  • Altersbedingte Makuladegeneration (AMD): AMD ist eine häufige Erkrankung bei älteren Menschen, die ebenfalls zu Veränderungen in der Makula führt und ähnliche Symptome wie verschwommenes Sehen und Sehverlust im zentralen Gesichtsfeld verursachen kann. Der Augenarzt wird die typischen AMD-Veränderungen wie Drusen und neovaskuläre Membranen suchen, die sich von den kristallinen Ablagerungen bei Tamoxifen-Retinopathie unterscheiden.
  • Diabetische Retinopathie: Bei dieser Erkrankung kommt es aufgrund von Diabetes zu Schäden an den kleinen Blutgefässen der Retina. Symptome können Ähnlichkeiten mit denen der Tamoxifen-Retinopathie aufweisen, einschliesslich Sehstörungen und Floatern. Die diabetische Retinopathie zeigt jedoch in der Regel Blutungen, Mikroaneurysmen und manchmal Ödeme in der Retina, die in der Bildgebung identifiziert werden können.
  • Retinale Venenverschlüsse: Diese bedingen eine Blockade der venösen Blutgefässe in der Retina und können zu Schwellungen, Blutungen und Sehverlust führen. Der Augenarzt wird nach Anzeichen für einen Venenverschluss suchen, wie eine diffus geschwollene Retina und ausgeprägte Blutungen, die sich von den Befunden bei Tamoxifen-Retinopathie unterscheiden.
  • Zentralseröse Chorioretinopathie (CSCR): CSCR ist durch eine Ansammlung von Flüssigkeit unter der Retina gekennzeichnet, die zu Sehverzerrungen führt. Diese Erkrankung betrifft häufig mittelalte Männer und zeigt typischerweise eine seröse Netzhautablösung in der Makula, die in diagnostischen Verfahren wie der OCT sichtbar ist.
  • Toxische Retinopathien durch andere Medikamente: Verschiedene Medikamente ausser Tamoxifen können ebenfalls toxische Effekte auf die Retina haben, wie Hydroxychloroquin (Plaquenil) und hohe Dosen von Sildenafil. Diese Medikamente können unterschiedliche Muster von Netzhautveränderungen verursachen, die sorgfältig von denen der Tamoxifen Retinopathie unterschieden werden müssen.

Bei der Untersuchung und Diagnosestellung werden Augenärzte eine detaillierte Anamnese erheben und spezifische bildgebende Verfahren einsetzen, um zwischen diesen und anderen möglichen Ursachen für die Symptome und Befunde zu differenzieren. Die genaue Identifizierung der Ursache ist entscheidend, um die optimale Behandlungsstrategie für den Patienten festzulegen.

Therapie und Prognose

Die Behandlung der Tamoxifen Retinopathie richtet sich in erster Linie nach der Schwere der Symptome und dem Wunsch, eine weitere Verschlechterung des Sehvermögens zu verhindern. Eine der ersten Massnahmen kann das Absetzen oder die Dosisanpassung von Tamoxifen in Absprache mit dem Onkologen sein, um das Risiko weiterer retinaler Schädigungen zu minimieren. Regelmässige augenärztliche Kontrollen sind unerlässlich, um den Verlauf der Erkrankung zu überwachen und rechtzeitig auf Veränderungen reagieren zu können. In einigen Fällen können Anpassungen im täglichen Leben, wie die Verwendung spezieller Sehhilfen oder die Anpassung der Arbeits- und Wohnräume, dazu beitragen, die Sehqualität zu verbessern und die Auswirkungen auf die täglichen Aktivitäten zu minimieren. Die Prognose hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschliesslich des Zeitpunkts der Diagnose und der Effektivität der ergriffenen Massnahmen. Bei frühzeitiger Erkennung und adäquater Behandlung können viele Patienten eine gute Sehqualität bewahren.

Fazit

Die Tamoxifen Retinopathie ist eine ernsthafte Komplikation in der Augenheilkunde, die bei Patienten, die mit Tamoxifen behandelt werden, auftreten kann. Es werden zwar nur in seltenen Fällen Sehstörungen bzw. ophthalmologische Veränderungen aufgrund von Netzhautfunktionsstörungen unter Tamoxifen-Therapie beobachtet, jedoch sind diese ernst zu nehmen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sowohl Patienten als auch medizinisches Fachpersonal sich dieser möglichen Nebenwirkung bewusst sind, um frühzeitig auf Symptome reagieren zu können. Die enge Zusammenarbeit zwischen Patienten, Augenärzten und Onkologen ist der Schlüssel zu einem effektiven Management dieser Erkrankung. Unsere Augenärzte stehen bereit, um bei Fragen oder Bedenken zur Tamoxifen Retinopathie Unterstützung zu leisten und umfassende Betreuung zu gewährleisten. Unser Ziel ist es, das Sehvermögen unserer Patienten zu schützen und ihre Lebensqualität zu erhalten, während sie die notwendige Behandlung für ihre Grunderkrankung erhalten.

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