Retinopathia centralis serosa (Chorioretinopathia centralis serosa)

Kategorien: Syndrome & AugenerkrankungenPublished On: 18. April 2022Von 8 min read

Dr. med. Richard Nagy

Ärztlicher Leiter, Facharzt für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

retinopathia centralis serosa

Was ist Retinopathia centralis serosa?

Häufiger sind Männer von der degenerativen Erkrankung der Netzhaut betroffen. Die Symptome sind meist so stark, dass man unbedingt einen Augenspezialisten aufsuchen sollte. Bei einer Retinopathia centralis serosa, auch Chorioretinopathia Centralis Serosa genannt, tritt eine starke Sehverschlechterung ein und kann ein typisches Zeichen der Netzhautablösung sein. Aber was ist eine Retinopathia centralis serosa, kurz rcs, und wie ist Abhilfe zu schaffen?

Die zentrale seröse Netzhautschädigung (Retinopathia centralis serosa) beruht auf einer Ansammlung seröser Flüssigkeit unter der Netzhaut (Retina, Tunica interna bulbi). Diese gelangt von den Blutgefässen der Aderhaut (Choroidea) in den Bereich schärfsten Sehens der zentralen Sehgrube (Fovea centralis), wodurch sich das retinale Pigmentepithel (Stratum pigmentosum) von der sie versorgenden Aderhaut (Chorioidea) ablöst. Das Stratum pigmentosum gehört als einschichtiges isoprismatisches Pigmentepithel zum hinteren lichtempfindlichen Teil der Retina (Pars optica retinae) und stellt deren erste funktionelle Zellschicht dar. Es sitzt okzipital einer etwa zwei Mikrometer dicken Basallamina auf, die zur Bruch’schen Membran gehört.

Dieser aus Kollagenfibrillen und elastischen Fasern aufgebauten Membran liegen die fenestrierten Blutkapillaren der Chorioidea an, um das äussere Stratum pigmentosum und die innere Sinnesnervenschicht der Netzhaut (Stratum nervosum retinae) durch Diffusion zu ernähren. Gleichwohl ist die Bruch-Membran eine selektive Diffusionsbarriere und Grenzschicht (äussere Blut-Retina-Schranke) zwischen Retina und Aderhaut, deren Funktion bei der Retinopathia centralis serosa, kurz rcs, gestört ist. In Folge des Defekts tritt Flüssigkeit unter das Pigmentepithel der zentralen Netzhaut, was zu einer serösen rundlichen Abhebung führt.

Die hohe Dichte der Sinneszellen in der Fovea centralis rührt von den Zapfen her, welche in Folge von Lichtimpulsen farbiges und genaues Sehen vermitteln. Wegen dem partiell fehlenden Zellkontakt zur Bruch-Membran gelangen kein Sauerstoff und keine Nährstoffe zu den Photorezeptoren hindurch. Der Melaningehalt im Pigmentepithel nimmt ab und resultierende Lichtreflexionen werden im Augapfel nicht verhindert. Biochemische Abbauprodukte des Zellstoffwechsels der Pars optica retinae aus dem Sehzyklus leiten sich nur unzureichend über die zentrale Netzhautvene (Vena centralis retinae) ab. Die eingeschlossene interstitielle Flüssigkeit drückt einem Ödem vergleichbar in den vorderen Augenbereich.

Es kommt zu hochgradigen Gesichtsfeldausfällen, schmerzfreien Sehstörungen, verschleiertem Sehen und Visusverlust. Zur Verhinderung eines kompletten Verlusts der Sehkraft muss therapeutisch ein Voranschreiten der degenerativen Erkrankung der Retina gestoppt werden. Männer zwischen 20 und 45 Jahren sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. In Abhängigkeit von der Dauer der Chorioretinopathia centralis serosa unterscheidet sich die akute von der chronischen Form. Von einer Chronifizierung ist bei einem Fortbestehen ab sechs Monaten auszugehen.

Ursachen und Risikofaktoren

Eine bestimmte Ursache und auslösende Faktoren für eine Retinopathia centralis serosa, kurz rcs, sind unbekannt. Es wird davon ausgegangen, dass Stressfaktoren die Häufigkeit degenerativer Erkrankungen der Netzhaut begünstigen. Verhältnismässig hohe Berufsanforderungen bei grossen Mengen zu bewältigender Arbeit, Konkurrenzdenken am Arbeitsplatz sowie ein Ungleichgewicht zwischen Arbeits- und Familienleben führen möglicherweise vor allem bei Typ-A Persönlichkeiten zu einer starken negativen Stressbelastung. Zum Bewältigen von Stresssituationen sind Stresshormone von hoher Bedeutung. Daher wird vermutet, dass die Wirkung von Glukokortikoiden und ein erhöhter Blutdruck bei der Entstehung des Defekts in der Bruch’schen Membran eine Rolle spielen.

Symptome der Retinopathia centralis serosa

Die Sehverschlechterung beginnt meist plötzlich und wird als in der Nähe unscharfes (Hyperopie), linienverzerrtes, verkleinertes oder gar doppeltes Bild von Gegenständen und Räumen (Metamorphopsien) wahrgenommen, wobei die rezeptiven Felder aller retinalen Zapfenzellen im Bereich der Netzhautläsion in Abhängigkeit von Ausmass und Länge ausfallen können (relatives Skotom). Typischerweise nehmen Betroffene einen grauen Fleck oder Schatten im zentralen Gesichtsfeld wahr. Weiter kann die Retinopathia centralis serosa von einer gestörten Farb- und Kontrastwahrnehmung begleitet werden, bei der häufig beide Augen betroffen sind. Es sollte schnellstens ein Augenarzt aufgesucht werden, da es zu einer Netzhautablösung kommen kann.

Diagnostik

Das professionelle Erfragen medizinisch relevanter Informationen (Anamnese) durch einen Augenarzt und eine gründliche Untersuchung sind zum Stellen der Diagnose Retinopathia centralis serosa von entscheidender Wichtigkeit. Es gibt verschiedene Methoden zur Untersuchung und der diagnostischen Sicherstellung im Vergleich zu anderen Augenkrankheiten, die es differenziell auszuschliessen gilt. Zur Inspektion des Augenhintergrunds dient ein Augenspiegel (Ophthalmoskop), der aus einem justierbaren Linsensystem mit elektrischer Beleuchtung und einer Halterung aufgebaut ist. Bei der Betrachtung des Augenhintergrunds und der Makula ist die rundliche Abhebung der zentralen Retina zu erkennen. Pupillenerweiternde Augentropfen (Mydriatika) sind hilfreich, bessere Einsicht zu erhalten.

Ein weiteres Untersuchungsgerät ist das Spaltlampenmikroskop, womit die feine Struktur der Netzhaut mit scharf begrenzter Lichtspalte mikroskopisch betrachtet werden kann. Zur Bilddarstellung des farbigen Flüssigkeitsaustritts durch die Bruchmembran und einer genauen Beurteilung der Aderhautgefässe sind fluoreszierende Farbstoffe wie Fluorescin und Indocyaningrün geeignet. Sie finden in der Fluoreszenzangiografie Anwendung, indem sie intravenös gegeben werden. Defekte, undichte Strukturen im Gefässsystem der Aderhaut und in den Schichten der Netzhaut werden sichtbar gemacht, um sie über einen bestimmten Zeitraum beobachten zu können.

Eine nicht-invasive Untersuchung zur bildlichen, detaillierten Darstellung der retinalen Schichten ist die optische Kohärenztomografie (OCT). Neue computergestützte Module stellen mit Querschnittsbildern die Aderhautgefässe genauer dar und ermöglichen, deren Neubildung zu erkennen und auch die Ausprägung der Netzhautanhebung zu beurteilen. Eine perimetrische Untersuchung prüft das Gesichtsfeld und stellt fest, welcher Bereich mit unbewegtem Auge noch gesehen werden kann. Differenzialdiagnostisch sind auch Gehirntumoren und Frühsymptome des grünen Stars zu berücksichtigen.

Behandlung der Retinopathia centralis serosa

Häufig bilden sich die Flüssigkeitsansammlung unter dem Pigmentepithel und die dadurch entstandene Anhebung der Netzhautschichten selbstständig zurück. Sollte das Ödem länger als sechs Monate fortbestehen oder der Verlauf während der engmaschigen Kontrolle durch den Augenarzt darauf hinweisen, dass sich die Abhebung von der Makulaperipherie hin zur zentralen Makula ausweitet, ist eine unmittelbare chirurgische Therapie angezeigt. Dies gilt auch für den Fall, dass sich das Krankheitsbild der zentralen Netzhautdegeneration nach Rückbildung wiederholt. Chirurgische Therapien zielen darauf ab, operativ für eine andauernde Anhaftung der Retina an die Aderhaut zu sorgen. Hierfür wird perimakulär meist auf die Laserbehandlung (Argon-Laser-Photokoagulation) zurückgegriffen, wobei mittels Laser die undichte Stelle der Aderhaut zu veröden ist. Leichte narbige Veränderungen führen noch nicht zur Einschränkung des Sehvermögens. Es kann aber in Folge wiederholten Laserns zu stärkeren Narbenproblemen kommen, welche das Sehvermögen reduzieren.

In der Makula, dem Ort des schärfsten Sehens, verfolgt man mit der energieärmeren photodynamischen operativen Behandlung die subretinale Neovaskularisation zu verlangsamen. Dies passiert in Folge eines intravenös verabreichten Farbstoffs, der später im Auge mit Laser bestrahlt wird und dadurch seine örtlich toxische Wirkung an der undichten Stelle entfaltet. Auch besteht bei manchen Fällen durch den Einsatz eines Dioden-Lasers die Möglichkeit, die Pumpfunktion des Pigmentepithels wieder herzustellen.

In den Glaskörper injizierte wachstumshemmende Faktoren (VEGF-Hemmer) wie Bevacizumab oder Ranibizumab sollen chorioidale Neovaskularisationen möglichst unterbinden. Aldosteron-Antagonisten und die Einnahme von Medikamenten gegen Helicobacter pylori Infektionen, Anti-Pilzmittel, Aspirin und Carboanhydrasehemmer wie Azetolamid lindern vermutlich die Symptomatik der Retinopathia centralis serosa und verbessern bestenfalls die Rückresorption ausgetretener Flüssigkeit.

Das Reduzieren von Stressfaktoren sollte bei einer Verhaltenstherapie zur Beseitigung der Ursachen unbedingt ganz oben anstehen. Auf die Einnahme von Medikamenten, welche im Körper Stressreaktionen auslösen oder verstärken können wie bspw. Kortison, sollte, sofern kein anderer wichtiger medizinischer Grund dagegenspricht, verzichtet oder deren Dosis nach Rücksprache mit dem Arzt herabgesetzt werden. Auch kann sich eine Raucherentwöhnung eventuell unterstützend auf das Abklingen der Symptome auswirken.

Prognose

Die Retinopathia centralis serosa kann sich innerhalb der ersten vier Monate spontan zurückbilden. Wird dem Stress rechtzeitig durch Vermeiden Stress auslösender Situationen entgegengewirkt, besteht die Chance, das Risiko für das erneute Auftreten der Netzhauterkrankung zu senken. Findet die Stressreduktion beim Betroffenen innerhalb der nächsten zwölf Monate keine Berücksichtigung, kommt es innerhalb eines Jahres in 30-50 % der Fälle zum Rückfall. Bei einer Spontanheilung können Einschränkungen in der nächtlichen Sehfähigkeit zurückbleiben, da Sehsinneszellen degenerierten. Auch Störungen in der Farb- und Kontrastwahrnehmung werden möglicherweise chronisch. Bei der häufigeren, akuten Form besteht innerhalb der ersten vier bis sechs Monate eine exzellente Prognose, während sich die seltenere chronische Retinopathia centralis serosa durch den Verlust von Funktionsgewebe und teilweisen Sehverlust langfristig auszeichnet.

Zusammenfassung

Die Retinopathia centralis serosa ist eine schwere, degenerative Erkrankung der Netzhaut. Sie zeigt sich vor allem als partielle, rundliche seröse Abhebung des Pigmentepithels mit den darüberliegenden Strukturen des Stratum nervosum am hinteren Augenpol. Pathophysiologisch beruht der Übertritt von Flüssigkeit aus der Aderhaut unter die Netzhaut auf einem Defekt in der Bruch’schen Membran. Ein gehäuftes Auftreten bei Männern zwischen 20 und 45 Jahren in Folge von negativem Stress wurde beobachtet. Während die eigentliche Ursache unbekannt ist, werden Glucocorticoide und eine systolische Hypertonie als Auslöser vermutet.

Bei Betroffenen können Symptome wie Weitsichtigkeit (Hyperopie), Metamorphopsien, ein relatives Skotom und verkleinertes Sehen auftreten. Diagnostische Verfahren sind nach vorausgegangener Anamnese die Ophthalmoskopie, Fluoreszenzangiografie und die optische Kohärenztomografie. Der häufigen selbstständigen Rückbildung ohne Therapie stehen die seltene Laserkoagulation und photodynamische Behandlung gegenüber. Stressbewältigungstechniken sind präventiv und therapeutisch hilfreich, die Selbstheilung oder erfolgreiche chirurgische Operation nicht zu gefährden. Haben Sie Fragen oder leiden Sie unter den genannten Symptomen?

Lassen Sie bitte keine wertvolle Zeit verstreichen. Ihre Augenärzte in Chur untersuchen und beraten Sie sehr gerne!

Quellen

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