Keratoconjunctivitis vernalis

Kategorien: BindehautentzündungPublished On: 4. Juli 2022Von 6,2 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

keratoconjunctivitis vernalis

Die Keratoconjunctivitis vernalis im Überblick

Bei der Keratokonjunktivitis vernalis (VKC) handelt es sich um eine allergisch bedingte, rezidivierende Konjunktivitis (Bindehautentzündung), die überwiegend im Frühjahr (vernalis) auftritt. Sie kommt vor allem bei Kindern und Jugendlichen männlichen Geschlechts mit einer bereits bestehenden Neigung zu Allergien, Asthma und anderen Überreaktionen des Immunsystems vor. Bei dieser schweren Form der Konjunktivitis (Bindehautentzündung) sind neben den Bindehäuten zusätzlich die Hornhäute betroffen. Typisch für die Keratoconjunctivitis vernalis (VKC) sind der Rückgang in Herbst und Winter und das Verschwinden mit dem Übergang ins Erwachsenenalter.

Ursachen der Frühjahrs-Keratoconjunktivitis

Heute nimmt man an, dass das Immunglobulin (Antikörper) E (IgE), welches ja bekanntlich bei allergischen Reaktionen, Überempfindlichkeiten und Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielt, auch hier beteiligt ist. Bei ca. 80% der Immunglobuline handelt es sich jedoch um Antikörper der G-Klasse, welche überwiegend in den Schleimhäuten vorkommen.

Bei einer massiven Erhöhung dieser Antikörper und bestimmter Zellen in der Bindehaut kann es zu überschiessenden Abwehrreaktionen gegenüber eigentlich harmlosen Substanzen kommen. Als typische Allergene zählen vor allem Pollen (saisonbedingt), Schimmelpilze, Hausstaubmilben sowie beispielsweise Hautschuppen von Hunden oder Katzen. Allergische Reaktionen auf Kontaktlinsen kommen ebenso vor. Temperatur- und Lichtverhältnisse wirken sich zusätzlich auf die Beschwerden aus.

Ob ein niedriger Vitamin-D-Status das allergische Geschehen zusätzlich ungünstig beeinflusst, ist noch nicht hinreichend untersucht. Vitamin D ist für seine immunregulatorische Wirkweise bekannt. Es soll überschiessende Immunantworten mildern können. Ein Mangel an diesem Hybridhormon wird daher auch bei Autoimmunerkrankungen als mögliche Mitursache angenommen.

Typische Symptome der Keratoconjunctivitis vernalis

Ca. 50% der Betroffenen leiden zusätzlich an weiteren allergischen Reaktionen neben der Keratokonjunktivitis vernalis. Nicht immer besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Konjunktivitis und weiteren allergischen Manifestationen. Doch weist die vorhandene Atopie mit ihren vielseitigen Beschwerdebildern auf eine bereits bestehende Neigung zu Überempfindlichkeitsreaktionen und einer genetisch determinierten Bereitschaft zur Allergieentwicklung hin.

Häufige Begleitbeschwerden aufgrund einer atopischen Erkrankung sind (allergisch bedingtes) Asthma sowie (ebenfalls allergisch induzierte) Entzündungen der Nasenschleimhaut mit übermässiger Sekretbildung. Bei unter einer Keratoconjunctivitis vernalis leidenden Patienten ist eines der Leitsymptome der lästige, teils schmerzhafte Juckreiz.

Folgende Symptome sind ebenfalls typisch für die Keratoconjunktivitis vernalis:

  • beidseitige Beteiligung der Augen
  • klassische Entzündungszeichen wie Rötungen
  • vermehrte Sekretbildung und dickflüssiger Augenausfluss
  • vermehrter Tränenfluss
  • Photophobie bis hin zu krampfhaften Lidschlüssen
  • Brennen und Schmerzen der Augen
  • Gefühl eines Fremdkörpers im Auge
  • Juckreiz
  • Sehschwierigkeiten

Erstanzeichen einer Keratoconjunctivitis vernalis

Im Gegensatz zu einer bakteriellen oder virusbedingten Bindehautentzündung ist die Keratoconjunktivitis vernalis nicht ansteckend. Erste Anzeichen für diese allergische Augenentzündung beim Kind können saisonbedingte Augenbeschwerden sein. Meist geht mit den anfangs vielleicht noch unspezifischen Augensymptomen eine allgemeine Neigung zu allergischen Überreaktionen einher.

Typisches Anzeichen einer Keratoconjunctivitis vernalis sind vor allem:

  • die Bildung auffälliger Erhebungen auf der oberen Bindehaut (Tarsal-Riesenpapillen)
  • Blutandrang und dadurch Rötung der Bindehaut und der äusseren Schicht der Lederhaut (Episklera)
  • oberflächliche Hornhautauffälligkeiten
  • klebriger Augenausfluss ohne Eiterbildung
  • weissliche, limbale Eosinophil- und Epithelzellablagerungen
  • sogenannte Horner-Trantas-Punkte als Zeichen einer limbalen Erkrankungsform
  • Geschwüre der Kornea
  • beginnende Ptosis (Hängen der Augenlider) und/oder Blepharospasmen
  • punktförmige Ansammlungen von Epithelzellen, Eosinophilen und Kalkablagerungen auf der Hornhaut

Die Diagnosestellung bei der Keratoconjunctivitis vernalis

Um eine Keratoconjunctivitis vernalis diagnostizieren zu können, muss das Vorliegen einer rein atopischen Keratokonjunktivitis ausgeschlossen werden. Die atopische Keratokonjunktivitis betrifft vorwiegend das untere Augenlid. Allein durch das jeweilige Alter der Betroffenen kann schon zwischen einer Keratoconjunctivitis vernalis und einer atopischen Keratokonjunktivitis unterschieden werden. Während letztere gehäuft bei Patienten im mittleren Lebensalter auftritt, kommt die Keratoconjunctivitis vernalis überwiegend bei Jungen ab dem 5. Lebensjahr vor.

Auch bezüglich der Bindehautbeteiligung kann differentialdiagnostisch unterschieden werden. Denn bei der AKV ist der untere Tarsus betroffen, während bei der Keratoconjunctivitis vernalis der obere Tarsus beteiligt ist. Ebenso kommt es bei der atopischen Form eher zu Vernarbungen der Horn- und Bindehäute als bei der saisonbedingten Keratoconjunctivitis vernalis. Eine grosse Rolle bei der Erstellung der Diagnose spielt selbstverständlich eine ausführliche Anamneseerhebung, nicht zuletzt, um weitere Formen der Konjunktivitis ausschliessen zu können. Die Diagnose erfolgt also aufgrund der charakteristischen Epidemiologie.

Eine wesentliche Rolle spielen hierbei typisch klinische Merkmale. Heute weiss man, dass vor allem dunkelhäutige Jungen, die in wärmeren Klimazonen leben (Mittelmeerländer, Naher Osten, Asien, Afrika usw.), genetisch für die limbale Form dieser Augenentzündung prädestiniert sind. Auch die genetische Herkunft kann also als Anhaltspunkt für eine Diagnose herangezogen werden. Das wiederholte Auftreten der Beschwerden im Frühling ist ein typisches Zeichen für das Vorliegen einer Keratoconjunctivitis vernalis und erleichtert die Diagnosestellung ebenfalls.

Die Behandlung der Keratokonjunktivitis vernalis

Die Behandlung erfolgt vor allem durch Entfernen möglicher Allergene bzw. entsprechende Kontaktvermeidung. Daneben kommen kühlende Kompressen zum Einsatz.

Die Anwendung örtlich anzuwendender Mastzellstabilisatoren kann bei leichteren Beschwerden erfolgreich sein, benötigt jedoch eine gewisse Vorlaufzeit, bis sich die volle Wirkung entfaltet.

Daher empfiehlt sich eine entsprechende Therapie bereits vor Saisonbeginn. Dennoch sollte die Mastzellstabilisierungstherapie die gesamte Saison hindurch durchgeführt werden. In Verbindung mit Wirkstoffen, die einen H1-Blockierungsmechanismus aufweisen, setzt die Wirkung der Mastzellstabilisierung sogar unmittelbar ein.

Am erfolgreichsten bei der Behandlung der Keratoconjunktivitis vernalis soll der Einsatz lokal anwendbarer Kortikosteroide sein. Zur kurzfristigen Symptomlinderung kann eine supratarsale Kortikosteroid-Injektion durchgeführt werden. Für Patienten mit einem mittelschweren bis schweren Verlauf der Erkrankung mit Komplikationen, empfiehlt sich die Anwendung von Cyclosporin als kortikosteroidsparendes Mittel in Form von Augentropfen. Langfristig geht es darum, mit immunmodulierenden Wirkstoffen die übermässige Zytokinbildung einzudämmen. Dafür sind Cyclosporin und Tacrolimus geeignet. Diese Calcineurin-Hemmer verursachen viel weniger Nebenwirkungen im Auge als kortisonhaltige Augentropen und Augensalben. Deshalb können sie langfristig angewendet werden.

Oral anzuwendende Antihistaminika scheinen keinen wesentlichen Einfluss auf das allergische Entzündungsgeschehen aufzuweisen.

Wichtig: Die effektive Behandlung der Hornhautschildgeschwüre

Unbehandelte Geschwüre der Hornhaut können zum Verlust der Sehkraft führen. Da Hornhautschädigungen eine häufige Folge der Keratoconjunktivitis vernalis darstellen, ist eine adäquate Behandlung unerlässlich.

Für die topische Behandlung von Hornhautepithelschäden hat sich Cyclosporin bewährt und die frühere Behandlung mit Kortikosteroiden ersetzt. Im Gegensatz zur herkömmlichen topischen Kortikosteroid-Behandlung wird durch die Therapie mit Cyclosporin der Wiederaufbau des Epithelgewebes nicht beeinträchtigt.

Die Prognose

Werden mögliche Komplikationen wie das Auftreten von Hornhautschildgeschwüren entsprechend fachmännisch behandelt, sind keine Langzeitschäden zu befürchten. Selten kommt es durch unsachgemässe Behandlungen zu Vernarbungen der Hornhaut. Die Behandlung erfolgt meist saisonal und beeinträchtigt den Alltag nicht wesentlich. Da die Erkrankung meist spätestens mit Abschluss der Pubertät von alleine verschwindet, ist die Prognose also eher als günstig zu bewerten.

Allerdings besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass Betroffene im Erwachsenenalter eine atopische Konjunktivitis entwickeln. Ob diese der ohnehin schon bestehenden Atopie zuzurechnen ist oder es sich tatsächlich dabei um eine Folgeerscheinung der Konjunktivitis vernalis handelt, muss im Einzelfall entschieden werden. Bei etwa 12% der Betroffenen bleibt die Erkrankung trotz ihres selbstlimitierenden Charakters auch noch im Erwachsenenalter bestehen.

Fazit

Die saisonbedingt auftretende Keratoconjunctivitis vernalis ist eine allergische Entzündung des Auges, die unbehandelt zu Sehschäden führen kann. Sie tritt gehäuft bei Jungen in südlichen Ländern mit trocken-warmem Klima auf und hat eine typische Erscheinungsform, die sie von anderen Erkrankungen am Auge unterscheidet. Dank einer pharmakologischen Behandlung in Verbindung mit der Kontaktvermeidung typischer Allergene ist die Keratoconjunctivitis vernalis jedoch gut behandelbar, bis sie spätestens mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter von allein wieder verschwindet.

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